Eigentum als Weltbeziehung: Verfügen, sorgen, nutzen: Eine vergleichende Analyse in Deutschland und China

Projektbeschreibung
Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Zusammenführung und Weiterentwicklung der bisherigen Projekte C01 (Herrmann-Pillath) und C06 (Rosa, Oberthür). Aus der Untersuchung von Praktiken der Sharing Economy in der ersten Förderphase entwickelte sich die Beobachtung einer umfassenden kulturellen und institutionellen Verschiebung von Praktiken und Verhältnissen des Besitzens von Gütern zu Praktiken ihrer ‚(Nur-)Nutzung‘. Zugleich zeigte sich, dass solche Verhältnisse des Nutzens ohne Eigentum in China (Shenzhen) insbesondere im Blick auf Land und Boden institutionell verbreitet und kulturell verankert sind. Zugleich lässt sich eine breit angelegte staatliche Förderung von Sharing-Praktiken konstatieren.. In beiden Projekten erwies sich darüber hinaus, dass durch die genannten Praktiken des (Nur-)Nutzens traditionell mit dem Eigentum verknüpften Bündel des Verfügens über und des Sorgetragens für Dinge aufschnüren und komplexe neue Muster an Verfügungsrechten und Sorgepflichten entstehen. Das Projekt C01 hat zur analytischen Durchdringung solcher Verhältnisse eine Theorie der „Habe“ und des „Habens“ entwickelt. Diese Bündel unterscheiden sich erheblich, je nachdem, ob die Sorge- und Nutzungsarrangements genossenschaftlich, durch kommerzielle Leasing-Arrangements oder in Institutionen der Sharing Economy organisiert sind. Wenn Eigentum grundsätzlich die soziale Funktion erfüllt, Verfügungsrechte und zugleich auch Sorgepflichten zu definieren, dann stellt sich damit die für den SFB insgesamt hochrelevante Frage, wie Verfügung und Sorge jeweils reguliert und die entsprechenden Rechte und Pflichten verteilt werden, wenn insbesondere materielle Güter (z.B. Autos, Grundstücke, Hardware, Software) nicht mehr besessen, sondern nur (temporär) genutzt werden. Vor diesem Hintergrund untersucht das Forschungsprojekt in der zweiten Förderphase in vergleichender Absicht an konkreten Untersuchungsfeldern in Deutschland und China, 1) welche konkreten Verfügungspraktiken und Rechtebündel sich in den drei genannten Feldern (Leasing, Sharing, Genossenschaften) herausbilden, 2) mit welchen Sorgepflichten und -orientierungen sie jeweils verknüpft sind und 3) welche Differenzen sich hier aufgrund der kulturellen und institutionellen Unterschiede zwischen den beiden Vergleichsregionen ergeben. Das Forschungsvorhaben reagiert damit auch unmittelbar auf die SFB-übergreifend entwickelte These einer zunehmenden Verlängerung der Ketten zwischen Besitz und Eigentum und untersucht deren kulturelle Triebkräfte und institutionelle Konsequenzen. In seiner theoretisch-konzeptionellen Anlage folgt das Projekt einem weltbeziehungssoziologischen Ansatz, der auf die phänomenologische Analyse der Formung und Verschiebung von (eigentums- bzw. nutzungsförmig geprägten) Ding-, Sozial- und Selbstbeziehungen ausgerichtet ist, die sich durch institutionelle Veränderungen von Modi des Habens und der Habe einstellen. Methodisch greift es auf den aus der ersten Forschungsphase bewährten Ansatz der dokumentarischen Methode zurück und kombiniert infolgedessen Theoriearbeit mit Fokusgruppen und leitfadengestützten qualitativen Interviews.