15. Oktober 2023

Die Stiftung als Instrument zur Perpetuierung von Vermögen

Autor*in: Karlotta Böthig

Teil V der Blog-Reihe „Verfügung über Dinge

Im Laufe der Entwicklungsgeschichte der heutigen rechtsfähigen Stiftung zeigte sich diese in den verschiedenen Formen und war Produkt unterschiedlicher Motive. Mal diente sie zur Rettung des eigenen Seelenheils oder der Verbindung zwischen den Verstorbenen und den Lebenden, mal war sie ein Instrument, das dem Wohle der Allgemeinheit diente und mal wurde sie zur Perpetuierung des eigenen Vermögens genutzt.

Schon früh kamen Menschen auf die Idee, ihr Vermögen über ihr eigenes Leben hinaus anderen auf Dauer zur Verfügung zu stellen. Manche wollten es einem dem Wohl der Gesellschaft dienenden Zweck widmen. Anderen ging es schlicht darum, ihre Nachkommen dauerhaft finanziell abzusichern. Die Möglichkeit, erworbenes Vermögen in der Rechtsform einer Stiftung zu verselbstständigen, ist in Deutschland jedoch erst im 19. Jahrhundert entstanden.  Dieser Schritt ist voraussetzungs- und folgenreicher, als er auf den ersten Schritt scheint – schließlich wird damit ein Eigentumsobjekt kurzerhand in ein Eigentumssubjekt verwandelt. Wie kam es also zur Herausbildung der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts und ihrer Entwicklung zu einer eigenständigen juristischen Person zur Perpetuierung von Vermögen?

Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts

Eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts ist nach heutigem Verständnis eine Organisation, die mit Hilfe eines ihr gewidmeten Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck dauerhaft erfüllen soll. Damit sind drei Elemente für den Stiftungsbegriff wesentlich: Der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation. Der Stiftungszweck wird vom Stifter bei der Errichtung der Stiftung festgelegt und ist danach grundsätzlich unveränderlich. An ihm hat sich das gesamte Handeln der Stiftungsorgane auszurichten. Gemäß dem Leitbild der gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung ist jeder beliebige fremdnützige Zweck zulässig, solange er nicht das Gemeinwohl gefährdet. Das zweite wesentliche Element einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts ist das Stiftungsvermögen. Damit die Stiftung dauerhaft bestehen bleiben kann, wird das sogenannte Grundstockvermögen der Stiftung nicht angetastet. Nur dessen Erträge werden für die Zweckverwirklichung aufgewendet. Das Vermögen muss daher groß genug sein, dass die dauerhafte Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint. Das dritte Element ist die Stiftungsorganisation. Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts ist eine juristische Person. Sie ist also selbst Trägerin von Rechten und Pflichten. Für die Stiftung handeln ihre Organe als Stellvertreter, wobei die genaue Organisation durch den Stifter bestimmt wird. Das Eigentum am Stiftungsvermögen liegt nicht beim Stifter oder den handelnden Organen der Stiftung, sondern bei der Stiftung selbst.

Bevor der Stiftung ihr heutiger Status als Rechtssubjekt zuerkannt wurde, existierten eine Reihe von ähnlichen stiftungsartigen Konstruktionen. Die frühesten Vorläufer von Stiftungen lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Viele von ihnen hatten Ähnlichkeit zu dem, was man heute unter unselbstständigen Stiftungen versteht: zweckgebundene Vermögenszuwendungen an eine (juristische oder natürliche) Person, die von dieser getrennt von ihrem sonstigen Vermögen verwaltet werden.

Kurze Geschichte des Stiftungsrechts

Seit dem 5./6. Jahrhundert entstanden im germanischen Bereich erste Vorläufer von Stiftungen. Mit dem Christentum verbreitete sich die Lehre vom Sohnesteil Christi, wonach jeder Christ einen „Sohnesteil“ der Kirche vermachen sollte. Unter anderem dadurch konnte die Kirche ein erhebliches Vermögen aufbauen.

Dabei ging es den Erblassern, wie auch bei sonstigen piae causae, den frommen Vermögenszuwendung an die Kirche, um das eigene Seelenheil. Seit dem frühen Mittelalter mischte sich die Sorge um das Seelenheil mit der germanischen Vorstellung einer Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten. Die Idee der Stiftung eröffnete vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, einen Personenverband zwischen den Verwaltern und den Begünstigten der Stiftung zu schaffen. Nach dieser Vorstellung blieb der Stifter auch nach seinem Tod mit den Lebenden real verbunden. Die namentliche Nennung des Stifters wurde dabei nicht als bloß symbolisches Gedenken verstanden, sondern als gegenwärtige Gemeinschaft des Toten mit den Lebenden durch die Stiftung. Es ging beim Stiften also unter anderem darum, die eigene Persönlichkeit für die Nachwelt zu verewigen.

Nachdem die stiftungsähnlichen piae causae, die zunächst unter Aufsicht der Bischöfe standen, sukzessive unter städtische Aufsicht gerieten, wurden auch die Stiftungen selbst und ihr Kapital mehr und mehr verweltlicht.

Im Zuge der Reformation und der Aufklärung lösten sich die Stiftungen noch weiter von ihren metaphysischen Ursprüngen. Dem Denken der Aufklärung waren Stiftungen jedoch suspekt. Private Wohltätigkeit wurde ebenso kritisiert wie die dauerhafte Bindung von Vermögen an den Willen Verstorbener (Turgot, Oeuvres de Turgot, Nouvelle Édition, Paris 1844, S. 308). Immanuel Kant betonte, Stiftungen dürften nicht den Boden auf ewige Zeiten belästigen, also dem Rechtsverkehr dauerhaft Vermögenswerte entziehen (Kant,  AA VI: Die Metaphysik der Sitten, S. 369).

Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Stiftungsrecht maßgeblich in Richtung der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts, wie wir sie heute kennen. Dazu erheblich beigetragen hat der Städelsche Erbschaftsstreit. Der 1816 verstorbene Frankfurter Bankier Johann Friedrich Städel stiftete testamentarisch sein gesamtes Vermögen dem noch zu errichtenden Städelschen Kunstinstitut, starb jedoch schon, bevor dieses anerkannt wurde. Das Kunstinstitut wurde nach Städels Tod als Stiftung anerkannt und eröffnet. Kurz darauf wurde das Testament allerdings von zwei entfernten Verwandten Städels angefochten, die den Nachlass für sich beanspruchten, da das Kunstinstitut zum Zeitpunkt von Städels Tod nicht existent und somit nicht erbfähig gewesen sei.

Der Rechtsstreit wurde erst nach fast elf Jahren durch eine außergerichtliche Einigung beendet, nachdem er von vielen verschiedenen juristischen Fakultäten gutachterlich diskutiert wurde und so in erheblichem Maße zur Entwicklung des Stiftungsrechts beitrug. In seinem Verlauf wurden zahlreiche und fundamentale Fragen aufgeworfen: Kann eine reine Kulturstiftung, die keinen pia causa, also keinen kirchlichen Zweck, verfolgt, als echte Stiftung anerkannt werden? Ist für die Entstehung einer Stiftung überhaupt eine staatliche Genehmigung erforderlich? Kann eine noch nicht existierende Stiftung zum Erben eingesetzt werden?

Parallel zu diesem Rechtsstreit wurde diskutiert, was genau eigentlich eine juristische Person ist. Am bedeutendsten waren in dieser Diskussion die Fiktionstheorie von Carl Friedrich von Savigny und die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit von Otto von Gierke. Savigny ging davon aus, dass einzig der Mensch einen individuellen Willen bilden und demnach rechtsfähig sein könne. Aus Gründen der praktischen Notwendigkeit sei jedoch mit der juristischen Person durch staatliche Konzession ein vermögensfähiges Rechtssubjekt zu fingieren, das durch seine Organe handlungsfähig sei (Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, Berlin 1840, § 85). Gierke dagegen sah die juristische Person als sozialen Organismus, der eigenständig handle und deshalb als reales Wesen zu betrachten sei (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 3. Auflage, Berlin 2010, S. 470).

Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1.1.1900 beantwortete der Gesetzgeber die Fragen des Städelschen Erbschaftsstreits und erkannte die Rechtsfähigkeit der juristischen Person an, sodass die Diskussion um ihre Konstruktion praktisch irrelevant wurde. Eine Stiftung ist, sofern die Voraussetzungen für die Rechtsfähigkeit vorliegen und sie genehmigt wurde, ein selbstständiges Rechtssubjekt. Das Vermögen einer Stiftung wird also nicht mehr als Eigentumsobjekt von einem Eigentümer verwaltet, sondern die Stiftung selbst ist Eigentumssubjekt.

Privatnützige Stiftungen

Laut dem Bundesverband deutscher Stiftungen sind heute 90% der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts solche, die ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, also gemeinnützig im Sinne des § 52 der Abgabenordnung sind. Daneben bestehen jedoch auch privatnützige Stiftungen, also solche, die einen abgeschlossenen Personenkreis oder einzelne Unternehmen fördern. Auch für sie gilt: Nachdem der Stifter das der Stiftung gewidmete Vermögen übertragen hat, ist nicht mehr ein Mensch der Eigentümer dieses Vermögens, sondern eine juristische Person, die grundsätzlich auf Dauer bestehen bleiben soll. Es entsteht somit ein unsterblicher Vermögensträger (Dutta, Warum Erbrecht?, Tübingen 2004, S. 21). Das machen sich heute beispielsweise unternehmensverbundene Stiftungen zunutze, die mithilfe einer Stiftung die Schwankungen der persönlichen Lebensumstände von Gesellschaftern (wie Pfändungen, Insolvenz, Scheidungen und Todesfälle) als Risikofaktor für das Unternehmen minimieren bzw. ausschließen.

Vermögende Familien nutzen immer häufiger das Modell der Familienstiftung, um ihr Vermögen langfristig zu erhalten und vor Zersplitterung in verschiedene Familienstämme durch Streitigkeiten und Vererbung zu schützen.

Derartige Mechanismen, mit denen das Vermögen einer Familie zusammengehalten und ihr gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Status erhalten werden soll, finden sich seit dem römischen Recht. Das Ritual der mancipatio, das ausführlich im Blogbeitrag von Lydia von der Weth behandelt wurde, war nötig, weil Dinge, die für den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Familie unabdingbar waren, nicht veräußert werden durften. Im Mittelalter diente das Instrument des Familienfideikommiss dazu, das Vermögen von (vor allem adligen) Familien über Generationen hinweg vor Zersplitterung zu schützen. Das im Fideikommiss gebundene Vermögen wurde dem Wirtschaftskreislauf und der regulären Erbfolge dauerhaft entzogen. Aus diesem Grund waren die Familienfideikommisse erheblicher Kritik ausgesetzt, sodass bereits in der Paulskirchenverfassung ihre Aufhebung beschlossen worden war. Bis diese dann tatsächlich abgeschlossen war, sollte es jedoch noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts dauern.

Die Familienstiftung ist heute das Instrument, das funktional den Zweck der mittlerweile abgeschafften Familienfideikommisse erfüllt. Um eine Umgehung des Verbots der Familienfideikommisse durch Gründung einer Familienstiftung zu verhindern, wird das Vermögen von Familienstiftungen deshalb seit 1974 alle 30 Jahre mit einer Erbersatzsteuer besteuert, sodass die unbegrenzte Perpetuierung von Vermögen in einer Familienstiftung nicht mehr möglich ist.

Bei diesem Rückblick wird deutlich, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder gelungen ist, Mechanismen zu entwickeln, die den Bestand von Vermögen innerhalb der Familie sichern sollten.  Die Verwandlung von Vermögensbestandteilen von Eigentumsobjekten zu Subjekten in Gestalt rechtsfähiger Stiftungen steht somit in einer langen Tradition von Bemühungen, der Vergänglichkeit von Eigentum rechtliche Schranken zu setzen. Ob dabei gemeinnützige oder privatnützige Zwecke im Mittelpunkt standen, war freilich im Einzelfall verschieden.