13. September 2023

Im Gespräch mit Tilo Wesche!

Tilo Wesche hat ein neues Buch „Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum“ veröffentlicht. In diesem Zusammenhang haben wir mit ihm über seine Arbeit im SFB 294 und sein neues Buch gesprochen.

Sie beschäftigen sich in ihrer Arbeit im Sonderforschungsbereich mit den normativen Grundlagen von Eigentum. Welche Bedeutung haben für Sie Eigentum im Allgemeinen und das Eigentum der Natur im Speziellen?

Zwei Überlegungen leiten meine Eigentumsforschung. Erstens bin ich davon überzeugt, dass sich Eigentum nur mit seinen eigenen Waffen schlagen lässt. Dafür müssen die normativen Grundlagen, auf denen bestehende Eigentumsrechte aufbauen, gegen dieselben gewendet werden. Da Eigentumsrechte in unseren Gesellschaften besonders starke Rechte sind, liegt es nahe, sich diese Stärke für eine sozialökologische Transformation zunutze zu machen. Dafür bedarf es aber einer kritischen Anverwandlung geltender Eigentumsrechte. Zweitens ist die ökologische Blindheit geltender Eigentumsrechte zu korrigieren, die meines Erachtens darauf zurückzuführen ist, dass die unterschiedlichsten Güter eigentumsrechtlich als dieselbe Sache kodiert werden. Durch die sachenrechtliche Kodierung werden Naturgüter in einen Topf mit Gebrauchsgütern geworfen, weshalb ihre Eigentümer sie scheinbar genauso wie Kleidung, Möbel etc. gebrauchen und verbrauchen dürfen.
 

In Bezug auf einen Strukturwandel des Eigentums: Wie sehen Sie die Eigentumsrechte der Natur bzw. diese Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Lösung bzw. den Umgang mit aktuellen gesellschaftlichen Konflikten wie dem Klimawandel?

Eigentumsrechte sind die Stellschrauben einer Gesellschaftsformation. Eine sozialökologische Transformation verläuft deshalb über einen Strukturwandel des Eigentums. Für eine Ökologisierung des Eigentums ist es sinnvoll, an die Rechte der Natur anzuknüpfen, die weltweit zunehmend etabliert werden. Wenn Menschen für sich Eigentumsrechte beanspruchen, dann gibt es meines Erachtens keinen Grund dafür, sie der Natur vorzuenthalten. Die natürlichen Ressourcen gehören auch der Natur. Diese Eigentumsrechte der Natur schaffen eine Alternative zu unserem extraktiven Naturverhältnis. Denn sie besitzen wie jedes andere Eigentumsrecht einen Eigentumsschutz. Wenn Menschen natürliche Ressourcen nutzen, nutzen sie immer auch fremdes Eigentum, das sie zu einer sorgenden, nachhaltigen Nutzung verpflichtet.
 

Der Natur werden immer mehr Rechte (Eigentumsrechte) zugesprochen. Da die Natur diese leider nicht selbst beanspruchen kann, stellt sich die Frage, wer bzw. durch wen und wie die Eigentumsrechte der Natur geschützt werden müssen (Staaten, NGOs etc.)? Wie kann der Dialog zwischen der Natur und derer, die der Natur die Eigentumsrechte absprechen, erfolgen?

Da Wälder, Flüsse und Tierarten weder vor Gericht ziehen noch Gesetze beschließen können, bedarf es einer advokatorischen Rechtswahrnehmung. Wir kennen diese Praxis der Stellvertretung in Bezug auf das Kindeswohl, den Tierschutz und den Patientenschutz. Die bewährte Rechtspraxis hier kann als Vorbild für die Stellvertretung der Naturrechte dienen. Ökosystemen wurden in mittlerweile zweihundert Fällen weltweit von Parlamenten, Gerichten und Behörden stellvertretend Rechte verliehen. Allerdings war dafür Druck von der Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit nötigt, im globalen Süden insbesondere von indigenen Gemeinschaften. Der Salzwasserlagune Mar Menor, der erste Fall ökologischer Eigenrechte in der EU, wurde nur auf Druck ihrer Anwohnerinnen hin vom spanischen Parlament Rechte zugesprochen. Die erfolgreiche Ausweitung ökologischer Eigenrechte setzt allerdings voraus, dass erst einmal das Vorurteil abgebaut wird, diese gehörten dem Naturglauben von Hinterwäldlern an und seien ein Fremdkörper in den Eigentumsgesellschaften des globalen Nordens. Richtig ist vielmehr, dass sie sich aus der Geltungslogik bestehender Eigentumsrechte entwickeln lassen.