Eigentum an Hochschulen: Deutschland, Brasilien, Vereinigtes Königreich

Projektbeschreibung

Seit gut 25 Jahren wird über „akademischen Kapitalismus“ diskutiert. Dennoch sind Hochschulen in vielen Ländern öffentliche, staatlich (oder philanthropisch) subventionierte Einrichtungen geblieben. Allerdings haben auch an öffentlichen und nicht profitorientierten Hochschulen strategische Neuausrichtungen stattgefunden, die die Eigentumsverhältnisse verändern. So wurde vielerorts die Autonomie in der Bewirtschaftung universitärer Ressourcen erhöht. Vermögen und Personalbudgets werden in vielen Hochschulsystemen zunehmend nach privatwirtschaftlichen Mustern verwaltet, die Einnahmen durch Studiengebühren und die Verwertung von Forschungsergebnissen werden gesteigert, und staatliche Gelder werden vermehrt wettbewerbsbasiert vergeben. Daraus ergibt sich die Frage, wem mittlerweile die Einrichtungen und das akademisch hervorgebrachte Wissen gehören. Zugleich bleibt zu klären, ob unterschiedliche akademische Eigentumsformen funktional äquivalente Rollen spielen – wenn etwa in einigen Ländern staatliche Trägerschaft von Hochschulen dominiert, während sie sich in anderen überwiegend durch z.T. staatlich subventionierte Studiengebühren finanzieren. Somit bleibt offen, ob sich mit unterschiedlichen nationalen Strategien divergente wissenskapitalistische Ordnungen entwickeln.

Unser Teilprojekt wird diese Fragen anhand von Datenanalysen, Rekonstruktionen institutionellen Wandels und Fallstudien in drei institutionell heterogenen Hochschulsystemen untersuchen: im wesentlich öffentlich finanzierten und gestalteten System Deutschlands, im operativ stark privatisierten, aber weiterhin öffentlich (quer-)finanzierten Hochschulen des Vereinigten Königreichs und im brasilianischen System, in dem Hochschulen mehrheitlich privat betrieben werden und zu einem größeren Teil auch profitorientiert wirtschaften.

Durch die Zusammenführung ökonomischer und soziologischer Expertise planen wir, den institutionelle Wandel des ‚akademischen Kapitalismus‘, jenseits bloßer Diskurse und Instrumente, vergleichend zu untersuchen. Im Teilprojekt werden bisherige Forschungen zu geistigem Eigentum (Reitz) und Eigentum an Organisationen öffentlichen Interesses (Geppert) fortgeführt, um auch über den Themenbereich Hochschule hinaus wesentliche theoretische Einsichten zum Strukturwandel des Eigentums zu generieren.

Zentral ist hier, dass die Güter, auf die Hochschulen spezialisiert sind, sich stark von typischen Gütern des Industriekapitalismus unterscheiden. Wissen ist in mehrfachem Sinn ein öffentliches Gut. Es ist (zunächst) ein nichtknappes Gut, weil es im Gebrauch nicht aufgebraucht wird und nur schwer exklusiv gehalten werden kann. Vielerorts gilt auch die Lehre, selbst wenn sie nicht kostenfrei reproduzierbar ist, vornehmlich als öffentliche Aufgabe. Dieser Teil akademischer Arbeit ist im Gegenteil kaum rationalisierbar, weil irreduzibel zeitintensiv; Versuche der Automatisierung führen zu Qualitäts- und Leistungsverlust. Eine leitende Annahme des Projekts ist, dass diese Spezifika einerseits viele der Kostenprobleme aufwerfen, auf die akademischer Eigentumswandel antwortet, von New Public Management bis zur Öffnung für private Investoren. Andererseits zeigen sich bei der Umsetzung klare Grenzen: Mit nichtknappen Gütern sowie nicht rationalisierbaren Leistungen ist nur begrenzt Profit zu machen. Wir werden uns im Projekt weniger auf die neuen Regeln und Medien innerakademischer Wettbewerbe wie Publikationsmetriken, Projektfinanzierung, Zielvereinbarungen, Assessments und Rankings konzentrieren, da diese bereits gut beforscht sind. Stattdessen interessieren uns die realwirtschaftlichen Bedingungen und Effekte akademischer Eigentumsverhältnisse.

Anhand ausgewählter Hochschulen in den Beispielländern untersucht unser Teilprojekt drei Dimensionen dieses Puzzles:

  1. Wem gehört die Hochschule, was gehört der Hochschule?

  2. Wem gehören akademische Forschungsergebnisse?

  3. Wann, wie und mit welchen Folgen werden Lehre und Abschlüsse zur Ware?

Bei Frage 1 geht es besonders darum, inwiefern es einen eindeutigen Trend zu mehr hochschulischem Privateigentum gibt und wo ggf. seine Ursachen und Grenzen liegen. Frage 2 ermöglicht es, die komplexe Beziehung zwischen den Gewinnstrategien von Hochschulen bzw. Forschenden und industriepolitischer Forschungsförderung zu analysieren. Mit Frage 3 beleuchten wir, unter welchen Bedingungen sich das Angebot teurer Studiengänge, deren Abschluss wiederum wirtschaftliche Vorteile verspricht, als Geschäftsmodell durchsetzt, und was die sozialstrukturellen Folgen sind.

Projektbeteiligte