Embracing Capital: Zu normativen und gesellschaftsrechtlichen Aspekten der Kapitalisierung von Eigentum an Unternehmen

Projektbeschreibung

Das wirtschaftssoziologische Teilprojekt hat das Ziel, einen strukturellen Wandel des Unternehmenseigentums von Beginn der Bundesrepublik Deutschland bis heute zu analysieren (1949-2024). Forschungsleitend ist die Grundannahme, dass das Eigentum an Unternehmen zunehmend über Kapitalgesellschaften organisiert ist, was als „Kapitalisierung“ bezeichnet wird. Dreh- und Angelpunkt der Forschung bilden daher Kapitalgesellschaften. Diese wurden bereits im 19. Jahrhundert in Deutschland eingeführt und gelten in der klassischen Wirtschaftssoziologie als kapitalistische Strukturinnovation. Denn Kapitalgesellschaften begrenzen nicht nur das unternehmerische Risiko, sondern können als juristische Person selbst Eigentum besitzen und Anteile am Unternehmen veräußern. Insofern kann Kapitalisierung als eine wichtige Tiefenstruktur für den Verkauf von Unternehmen auf Finanzmärkten verstanden werden. Die wirtschaftssoziologische Debatte erweiternd, versteht das Teilprojekt die Institutionalisierung der Kapitalgesellschaft als einen wichtigen Meilenstein, aber nicht als Ende eines Strukturwandels von Unternehmenseigentum, der sich in Deutschland erst nach der Zäsur durch das NS-Regime vollzieht.

Es wird davon ausgegangen, dass ein solcher Strukturwandel durch drei gesellschaftliche Trends befördert wird, die bislang nicht in ihrem Zusammenhang betrachtet wurden: Erstens die Internationalisierung von Unternehmen, die eine Risikosicherung notwendig macht; zweitens, „entrepreneurialism“, also eine neue, auf Wachstum und Verkauf ausgerichtete Kultur des Unternehmertums, die eine einfache Aufnahme von zusätzlichen Kapitalgebern notwendig macht; drittens, „Kodieren von Kapital“, also die Praxis, privates und betriebliches Vermögen über das Kapitalgesellschaftsrecht abzusichern und zu mehren. Diese Trends skizzieren beispielhaft, wie Kapitalgesellschaften legitim und dominant werden und damit eine systematische und grundlegende Veränderung spezifischer und anhaltender Konfigurationen von institutionalisierten Erwartungen in Bezug auf Eigentumsverhältnisse befördern.

Um eben diesen Strukturwandel besser zu verstehen, werden drei Strukturebenen genauer betrachtet und folgende Forschungsfragen in den Mittelpunkt gerückt: Welche gesellschaftsrechtlichen Verschiebungen mit Bezug auf Kapitalgesellschaften lassen sich erkennen? Wer oder was darf Eigentümer von Unternehmen sein und inwiefern sind diese Eigentumssubjekte normativ umkämpft? Auf welche Weise und in welchem Ausmaß haben sich Kapitalgesellschaften verbreitet? Als theoretisches und methodologisches Rüstzeug nutzt das Teilprojekt eine wirtschaftssoziologische Perspektive auf Eigentum und Rechtfertigung. Empirisch gliedert sich das Teilprojekt in drei Studien: 1) Eine genealogische Untersuchung des Gesellschaftsrechts, die eine de jure Veränderung des Menüs von Rechtsformen verfolgt. 2) Eine Analyse politischer und öffentlicher Diskurse zum Unternehmenseigentum, die eine normative Veränderung hinsichtlich legitimer Unternehmenseigentümer sowie deren Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten untersucht. 3) Eine Analyse von Umsatzsteuerstatistiken und Gesellschafterlisten, die eine de facto Ausbreitung von Kapitalgesellschaften und Veränderungen in der Gesellschafterstruktur beleuchtet. Der kontinuierliche Vergleich der drei Strukturebenen erlaubt es, ein umfassendes Verständnis der Kapitalisierung und ihrer Kontexte zu erhalten. Das Teilprojekt leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der rechtlichen, normativen und de facto Dimensionen einer zunehmenden Verschiebung von personengesellschaftlich zu kapitalgesellschaftlich verfasstem Unternehmenseigentum und erklärt mögliche Mechanismen dieses Strukturwandels. Es zeigt, wie sich die extensionale Ausbreitung einer spezifischen Form des Eigentums an Unternehmen zeitlich entfaltet und dabei Privateigentum an Unternehmen insofern radikalisiert hat, als es nun als Finanz- und Vermögensinstrument genutzt werden kann.

Projektbeteiligte