Energiewende als Eigentumswende? Dynamiken der Aneignung im europäischen Windenergieausbau

Projektbeschreibung
Im Kontext der deutschen Energiewende konnten in der ersten Förderphase im Hinblick auf den Umgang mit den Ressourcen Wind und Erdwärme (z.B. via Inwertsetzung oder Versuchen des technischen „Verfügbarmachens“), neben technologisch fundierten Unsicherheiten und Wissenslücken, auch eine gewisse „Eigentumsvergessenheit“ in Form von strategischem Ausblenden („strategisches Nichtwissen“) von Eigentumsfragen identifiziert werden. Dieses „strategische Nichtwissen“ scheint u.a. vom Bestreben staatlicher und wirtschaftlicher Akteure zu rühren, den Ausbau und die ökonomische Nutzung der Ressourcen Wind und Erdwärme nicht durch Konflikte zu gefährden. Es konnte außerdem herausgearbeitet werden, dass die Inwertsetzung der Ressource Wind als eine Verkettung von Eigentumsobjekten (property chains) verstanden werden kann, wodurch die rechtliche Verfasstheit von Wind als Gemeineigentum irrelevant gemacht wird. Im Hinblick auf die Verkettung von Eigentumsobjekten sind neben den Windturbinen und dem Stück Land auf dem sie jeweils stehen auch Kommunikationsinfrastrukturen, angrenzende Grundstücke, Straßennetze, Stromnetze und internationale Wertschöpfungsketten sowie Nutzungs- und Verfügungsrechte über Land von Bedeutung. Diese Eigentumskette ist als sozio-technische Konstellation zu verstehen, die in sich wandelnde ökonomische, politische, ökologische, kulturelle und rechtliche Kontexte eingebettet ist.
Hierauf aufbauend ist es nun Ziel der zweiten Förderphase, anhand international vergleichender Fallstudien Merkmale und Dynamiken der Varieties of Property Regimes im Feld der Windenergie systematischer herauszuarbeiten, um daran anknüpfend Erkenntnisse über Nutzungs- und Verfügungsrechte von Kommunen und lokalen Bevölkerungen zu generieren. So soll untersucht werden, ob und inwiefern mit der Dekarbonisierung der Energieerzeugung auch eine Eigentumswende im Feld der Energie zu beobachten ist. Dabei sollen die konzeptionellen Überlegungen zu Eigentumsketten und Eigentumsvergessenheit aus der ersten Projektphase im Feld der Windenergie im internationalen Vergleich empirisch getestet und weiterentwickelt werden. Um zu untersuchen, wie Prozesse der Inwertsetzung von Wind kontextabhängig variieren oder relativ stabile Formen annehmen, bieten sich vergleichende Untersuchungen in unterschiedlichen Ländern an. Als Fallländer sind hier Portugal (mit großangelegtem Ausbau der Windenergie) und Großbritannien (veränderte energiepolitische Rahmenbedingungen durch Brexit) vorgesehen.
Um die jeweiligen Eigentumskonstellationen bei Windenergieprojekten und sich entwickelnde Konfliktfelder sowie unterschiedliche Deutungen von Eigentumsverhältnissen zu identifizieren werden mit der Analyse von Policy-Dokumenten Strukturen der jeweiligen Governance-Regime für Windkraft unter besonderer Berücksichtigung von Eigentumsfragen herausgearbeitet.
Im Vergleich mit den aus der ersten Förderphase gewonnenen Erkenntnissen für Deutschland im Hinblick auf die Rolle von Eigentumsverhältnissen für lokale Konflikte und Wertschöpfung rund um Windenergie sollen u.a. Implikationen hinsichtlich einer demokratischeren Gestaltung von Nutzungs- und Verfügungsrechten abgeleitet sowie die Theorie der Verkettung von Eigentumsobjekten (property chains) weiterentwickelt werden.
Projektaktivitäten
Veröffentlichungen
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Sonnberger, M.; Pfeiffer, M.; Groß, M. (2024): „Who owns the wind? Understanding wind energy production through a property chains perspective“, in: Environment and Planning E: Nature and Space, https://doi.org/10.1177/25148486241282544.
- Sonnberger, Marco; Bleicher, Alena; Groß, Matthias (Hg.) (2024): Handbuch Umweltsoziologie. 2., vollkommen überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer VS.
- Sonnberger, M.; Pfeiffer, M.; Bleicher, A.; & Gross, M. (2024): „Wake effects and temperature plumes: Coping with non-knowledge in the expansion of wind and geothermal energy", in: Social Studies of Science, 0 (0).
- Horn, D.; Groß, M.; Pfeiffer, M.; Sonnberger, M. (2022): „How Far Is Far Enough? The Social Constitution of Geothermal Energy through Spacing Regulations.“, in: Sustainability 14 (1): 496, https://doi.org/10.3390/su14010496.
- Gross, Matthias; Sonnberger, Marco (2022): „Making the Most of Failure and Uncertainty: Welcome Surprises and Contingency in Energy Transition Research“, in: Energies 15: 6649.
- Otto, Danny; Pfeiffer, Maria; de Brito, Mariana M.; Groß, Matthias (2022): „Fixed Amidst Change: 20 Years of Media Coverage on Carbon Capture and Storage in Germany“, in: Sustainability 14 (12): 7342. DOI: https://doi.org/10.3390/su14127342.
Outreach, Medien und Podcasts
- Organisation der öffentlichen Podiumsdiskussion (gemeinsam mit TP Z01) „Energiewende für alle? Zur Rolle von Eigentumsverhältnissen für den Wandel des Energiesystems“, Altes Rathaus, Jena (29.02.2024)
- Öffentlicher Vortrag und Diskussion “Eigentumsverhältnisse und Bürger*innenbeteiligung in der Energiewende“, organisiert durch die Friedrich Ebert Stiftung (27.09.23)
- Öffentlicher Vortrag und Diskussion “Wem gehört der Wind? Eigentum und Beteiligung in der Energiewende“, organisiert durch die Friedrich Ebert Stiftung (06.04.22)
- Gross, Matthias; Pfeiffer, Maria; Horn, Daniel; Sonnberger, Marco (2022): „Blowing in the wind turbines“, in: Blog des Sonderforschungsbereichs „Strukturwandel des Eigentums“. (veröffentlicht am 17.03.2022).
Vorträge
- „Energiedemokratie im deutschen Windenergieausbau? Zur Ungleichverteilung der Entscheidungsmacht in der Energiewende“; Tagung des DGS-Arbeitskreises „Soziologie der Nachhaltigkeit“ (SONA) und der DGS-Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie; Universität Stuttgart (06.-07.06.2024)
- „Leaking in or leaking out – Conceptual thoughts on underground leakage”; Leakage – Inaugural Conference of stsing; TU Dresden (19.03.-22.03.2024)
- „Landeigentum als entscheidende Weichenstellung für die Partizipation an der Windenergie“; Workshop „Energiekrise, Eigentum und Daseinsvorsorge – das Energiesystem im Wandel“; Universität Jena (29.02.2024)
- „Wem gehört der Wind? Soziologische Betrachtungen zu Eigentumsverhältnissen in der Energiewende“; Kolloquium Infrastruktur & Gesellschaft; Universität Stuttgart (13.12.2023)
- „Wake Effects and Temperature Plumes: Coping with Nonknowledge in the Expansion of Wind and Geothermal Energy“; 6th Energy and Society Conference; University of Trento (06.-08.09.2023).
- „Wind energy, property regimes and nature-society-technology relations: an empirical exploration of the social perception of wind as an property object“; 6th Energy and Society Conference; University of Trento (06.-08.09.2023).
- „Grenzen der Inwertsetzung von Wind und Untergrundwärme als Grenzen des Wissens“; 41. DGS-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS); Universität Bielefeld (26.-30.09.2022).
- „Renewable Energies and Shifting Property Rights: Reckoning Limits of Renewability“; Global Meeting on Law & Society 2022; ISCTE University Institute of Lisbon (13.-16.07.2022).
- „Kältefahnen und Abschattungseffekte – Die soziale Konstitution von Erneuerbarkeit und die Grenzen des Wissens“; Frühjahrstagung der Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS); Europa-Universität Flensburg (31.03.-01.04.2022).
- „Who Owns the Wind? Wind Theft as a New Challenge for the Sociology of Not Knowing“; 15. Konferenz der European Sociological Association; Barcelona (31.08.-03.09.2021).
- „Who Owns the Wind? Wind Theft as a New Challenge for the Sociology of Not Knowing“; STS Conference Graz 2021;TU Graz (03.-05.05.2021).
Veranstaltungen
- Organisation des Panels “Ownership, energy justice and the expansion of renewables” auf der STS Conference Graz 2024; TU Graz (06.-04.08.2024)
- Organisation des Workshops (gemeinsam mit TP C04, JRT 03, Z01) „Energiekrise, Eigentum und Daseinsvorsorge – das Energiesystem im Wandel“; Universität Jena (29.02.-01.03.2024
- Organsiation des Panels „The transition to low-carbon energy systems and new regimes of ownership“ auf der STS Konferenz Graz 2022; TU Graz (02.-04.05.2022).