(Medien-)Eigentum im digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit

Das Projekt untersucht den Wandel des Eigentums im Hinblick auf seine Implikationen für einen Strukturwandel der Öffentlichkeit anhand von zwei Teilstudien. In einer Literaturstudie mit theoriegenerierender Absicht wird die Rolle des Eigentums für den Strukturwandel der Öffentlichkeit und unterschiedlichen Konzeptionen von Öffentlichkeit herausarbeitet. Diese Überlegungen konkretisierend und eingrenzend, werden in einer empirischen Studie zur Transformation des Medieneigentums die Auswirkungen von Strategien global agierender Digitalunternehmen auf unterschiedliche Mediensysteme sichtbar gemacht.

Wenn Eigentum, wie angenommen, eine wichtige öffentlichkeitstheoretische Kategorie ist, dann lassen sich ausgehend von der aktuellen Transformation des Medieneigentums auch Implikationen für den Wandel von Öffentlichkeit im digitalen Kapitalismus erwarten.

Fundierend soll im Projekt die Rolle des Eigentums (breit gefasst an Lebens-, Produktions- und Kommunikationsmittel) und dessen Verteilung für den Wandel von Öffentlichkeit genauer bestimmt und damit einer „Eigentumsvergessenheit“ der Öffentlichkeitstheorie begegnet werden. Die geplante Literaturstudie geht zunächst historisch-systematisch vor und bewertet dann den aktuellen (digitalen) doppelten Strukturwandel vor dem Hintergrund unterschiedlicher kritischer Öffentlichkeitstheorien. Die erste Leitfrage lautet: Welche Zusammenhänge zwischen dem Strukturwandel des Eigentums und dem der Öffentlichkeit lassen sich in der Literatur identifizieren und welche Eigentumsstrukturen liegen unterschiedliche Entwürfe demokratischer Öffentlichkeit zugrunde?

Medieneigentum, d.h. die Frage nach unterschiedlichen Formen der Verfügung über gesellschaftlich relevante Kommunikationsmittel, spielt für den Strukturwandel der Öffentlichkeit eine zentrale Rolle, weil durch es Einfluss darauf genommen werden kann, was, wo, wann und wie diskutiert werden kann und politisch relevant wird. Die Transformation des Medieneigentums soll im empirischen Teil des Projektes mittels Dokumentenanalysen, Interviewstudien und Netzwerkanalysen adressiert werden. Dabei geht es um die Untersuchung neuer oligopol-kapitalistischer Medienkonzentrationsprozesse durch Plattformisierung und Hybridisierung von Mediensystemen. Die Annahme ist, dass große Digitalkonzerne im Zuge ihrer Strategien zur intellektuellen Monopolisierung und sozio-technischen Infrastrukturkontrolle die Medienorganisationen und auch die lebensweltlichen Grundlagen des Journalismus indirekt einfassen. Es ist zu klären, welche Strategien des Ein- und Ausschlusses im Rahmen der Ökosystembildung Digitalunternehmen im Hinblick auf Medienorganisationen verfolgen, inwieweit diese erfolgreich waren und sind und auch welche formellen oder informellen Bewertungen, Rechtfertigungen und Einsätze von Markt- und Verhandlungsmacht über das erfolgreiche Einbinden entscheiden. Die zweite Leitfrage ist demnach: Welche sozialen Einbettungen und praktisch-funktionalen Äquivalente zum Medieneigentum zeigen sich in hybriden Mediensystemen? In Verbindung der zwei Teilstudien soll schließlich ausblickend drittens gefragt werden: Welche Implikationen hat die Transformation des Medieneigentum für den gegenwärtigen Strukturwandel der Öffentlichkeit?

Der doppelte Strukturwandel des (Medien-)Eigentums und der Öffentlichkeit (seit den 1990er Jahren mit dem Aufkommen des Internets) lässt sich vorgreifend so beschreiben: Einerseits kam es zu einer Demokratisierung des Medieneigentums durch digitale Technologien, die die Gatekeeper-Funktion traditioneller Massenmedien schwächte und Rezipient*innen zu Kommunikator*innen werden ließ. Andererseits wurden Soziale Medien vorwiegend privatwirtschaftlich-kapitalistisch organisiert. Große Digitalunternehmen binden heute Medienorganisationen, den Journalismus und das Publikum in hierarchische Ökosysteme ein und bauen dabei politökonomische Machtpositionen auf. Über eine vielfach analysierte Kommodifizierung von Aufmerksamkeit in oligopolistisch Medienmärkten hinaus kommt es zu einer Privatisierung nicht nur einzelner Knotenpunkte in der Öffentlichkeit, sondern tendenziell zu einer Privatisierung von Öffentlichkeit als Infrastruktur und zur kommerziellen Einfassung von Medienorganisationen und den lebensweltlichen Grundlagen des Journalismus, sowie zu neuen Möglichkeiten einer Enteignung, Ausbeutung (z. B. von Datenspuren) und Strukturierung von kommunikativen Tätigkeiten. Das Projekt möchte theoretisch und empirisch fundiert Thesen generieren, ob dies gemäß dem Versprechen der Demokratisierung von Kommunikationsmittel auch weiterhin mit einer geringeren Kontrolle über die diskutierten Inhalte im Vergleich zu den Massenmedien einhergeht und welche Auswirkungen auf Meinungsbildungsprozesse in politischen Öffentlichkeiten erwartbar sind.

Projektbeteiligte