Ökonomisches Eigentum und politische (Un-)Gleichheit. Eine elitensoziologische Analyse.

Projektbeschreibung

Ökonomisches Eigentum (Einkommen und Vermögen) beeinflusst, wie unsere bisherigen Forschungsergebnisse zeigen, die Rekrutierung und das Repräsentationshandeln der politischen Eliten in Deutschland, d.h. der Abgeordneten und Regierungsmitglieder auf Bundes- und Landesebene. Eigentum wirkt dabei zusätzlich zu klassischen Faktoren (u.a. Bildung, Geschlecht, Wahlmodus), ist aber z.T. nachrangig (z.B. ggü. der Parteizugehörigkeit). In der Rekrutierung sind Aspirant*innen mit geringeren finanziellen Ressourcen im Nominierungsprozess und im Wahlkampf benachteiligt. In Bezug auf die Repräsentation beeinflusst das eigene Vermögen u.a. die Präferenzen von Abgeordneten und Bevölkerung dafür, wie repräsentative Demokratie funktionieren sollte. Zudem stimmen die Abgeordneten selbst einer Grundannahme von „unequal democracy“ zu, indem sie – neben Parteien – Reichen und ressourcenstarken Organisationen einen überproportional starken Einfluss auf die Politik zuschreiben.

Aufbauend auf diesen und weiteren Erkenntnissen analysiert das Teilprojekt die Wirkungen von Eigentum auf die repräsentative Demokratie in einem Mixed-Methods-Forschungsdesign mit drei neuen Schwerpunkten: Erstens untersuchen wir, ob diese Befunde Hinweise auf einen Bedeutungsgewinn finanzieller Ressourcen in der Politik oder sogar Anzeichen für einen Strukturwandel hin zu einer „unequal democracy“ in Deutschland sind. Diese Frage kann erst durch die longitudinale Erweiterung der bisherigen Untersuchungen beantwortet werden. Dafür wird eine im Projekt bereits gestartete, qualitative Panelstudie zur Rekrutierung in den Wahlkreisen mit einer zweiten Welle fortgesetzt und thematisch um die parlamentarische Karriere erweitert; die Datenbank zu den Karrieren der Abgeordneten und Regierungsmitglieder wird fortgesetzt und eine weitere Wahlperiode bzw. die Zeit nach Mandat bzw. Amt aufgenommen; zudem wird die Abgeordnetenbefragung mit früheren Befragungen kombiniert.

Zweitens wird mit dem sogenannten „Drehtüreffekt“ der Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf die Politik und damit – ergänzend zu den bisher schon untersuchten Nebentätigkeiten – ein weiterer vermuteter Mechanismus für ungleiche Repräsentation vertiefend untersucht. In diesem Zusammenhang erforschen wir die Karrieren nach dem Ausscheiden aus der Politik und damit die Wechselwirkungen und Verflechtungen von politischen und wirtschaftlichen Eliten. Dieser Bereich ist für die Analyse der Invisibilisierung von Eigentumswirkungen und zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft von besonderem Interesse.

Drittens steht die Frage im Zentrum, ob und wie der räumliche Kontext den ungleichen Zugang zum Parlament und die ungleiche Repräsentation in Deutschland beeinflusst. Ost-West-Unterschiede in der Wahlkampffinanzierung ebenso wie die in der ersten Förderphase geführten qualitativen Interviews in den Wahlkreisen verweisen auf räumlich kontingente Eigentumswirkungen. Für die Erforschung der Wirkungen sozialer Ungleichheit im Zusammenspiel mit räumlicher Eigentumskonzentration bzw. -ungleichheit werden die vorliegenden individuellen Daten mit räumlichen Kontextvariablen auf Ebene der Kreise verknüpft und im Rahmen von Mehrebenenanalysen ausgewertet. Alle Ergebnisse werden in einer integrierten Analyse zum Einfluss von Eigentum auf die Rekrutierung und Repräsentation und zu möglichen Anzeichen für eine „unequal democracy“ in Deutschland zusammengeführt, womit das Teilprojekt zu den zentralen Fragen des SFB nach Eigentumswirkungen und einem Strukturwandel durch Eigentum beiträgt.

Projektbeteiligte