Die normativen Grundlagen des Eigentums: Digitales Eigentum

Projektbeschreibung
Dieser analytische Zusammenhang zwischen Eigentum und individueller Freiheit lässt sich jedoch, so der Einwand, weder als begrifflich zwingend noch als apriorisch notwendig nachweisen. In seinem Licht erscheinen Normen des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit unvermeidlich als eine äußere Schranke, die das Eigentum lediglich ex post reguliert: Erst gilt das individuelle Eigentumsrecht und nachträglich wird es von außen durch moralische Gemeinwohl- und Nachhaltigkeitsvorstellungen beschränkt. Demgegenüber wird die Forschungsthese vertreten, dass Eigentum bereits in seinen normativen Grundlagen an inneren Grenzen gebunden ist, die es bereits im Kern regulieren. Solche inhärenten Normen wohnen dem Eigentum selbst inne. Die Begründung von Eigentum schließt deshalb nicht nur Gründe ein, die eine Eigentumsfreiheit rechtfertigen, sondern auch solche, die sie normativ zu begrenzen erlauben.
Die inhärenten Normen des Eigentums wurden während der ersten Förderphase anhand konzeptioneller Grundreflexionen und am konkreten Beispiel der ökologischen Nachhaltigkeit ausgearbeitet, demzufolge dem Eigentum eine inhärente Nachhaltigkeitsnorm innewohnt. In der zweiten Förderphase soll untersucht werden, ob sich auch in Bezug auf die Digitalisierung eine inhärente Norm des Eigentums nachweisen lässt. Das Teilprojekt wird dabei von der Forschungsthese geleitet, dass dem digitalen Eigentum – oder im Folgenden: dem Digitaleigentum – eine inhärente Gemeinwohlnorm innewohnt. Diese Forschungsthese soll bearbeitet werden, indem zunächst dargelegt wird, dass digitale Infrastrukturen das Objekt des digitalen Eigentums bilden. Anschließend wird ausgeführt, weshalb die normativen Grundlagen des Eigentums an digitalen Infrastrukturen eine inhärente Gemeinwohlnorm einschließen. Schließlich soll, so das Erkenntnisziel des Teilprojekts, dargelegt werden, ob und, falls ja, wie die inhärente Gemeinwohlnorm zu Formen des gemeinschaftlichen und öffentlichen Eigentums an digitalen Infrastrukturen konkretisiert wird.
Der Strukturwandel des Eigentums wird somit unter einer doppelten Forschungsperspektive untersucht: Zum einen wird im Teilprojekt das Ziel verfolgt, die bestehenden Eigentumsvorstellungen zu rekonstruieren, die der Digitalisierung zumeist unausdrücklich zugrunde liegen und die auf individuelles Privateigentum hinauslaufen. Mit der Digitalisierung entsteht aus dieser Sicht zwar keine neue Eigentumsart, die auf grundsätzliche Weise über klassische Eigentumsvorstellungen hinausgehen würde. Der Prozess der Digitalisierung lässt sich jedoch als ein Strukturwandel des Eigentums beschreiben, in dem das klassische Verständnis individuellen Privateigentums um dessen digitale Gestalt erweitert wird.
Zum anderen wird im Teilprojekt durch den Rückgriff auf die normativen Grundlagen ein alternatives Eigentumsverständnis entwickelt, demzufolge digitales Eigentum durch eine inhärente Gemeinwohlnorm begrenzt wird. Dabei soll die innere Dynamik aufgezeigt werden, die den Strukturwandel des Eigentums antreibt: Indem sich alternative Eigentumsvorstellungen aus den normativen Grundlagen geltender Eigentumsrechte selbst ergeben, lassen sich diese aus eigener Kraft, sozusagen durch ihre innere Dynamik, in Richtung gemeinschaftlichen und öffentlichen Eigentums an digitalen Infrastrukturen transformieren. Diese innere Transformationsdynamik soll anhand von Vorschlägen konkretisiert werden, wie sich beispielsweise soziale Medien, Künstliche Intelligenz und Nachrichtenportale durch öffentliches Eigentum organisieren lassen.
Projektaktivitäten
Veröffentlichungen
Wissenschaftliche Publikationen
Monographien:
- Niklas Angebauer, Tilo Wesche (2025): Theorien des Eigentums zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag.
- Blumenfeld, Jacob (2024): The Concept of Property in Kant, Fichte, and Hegel, New York: Routledge.
- Wesche, Tilo (2023): Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum, Berlin: Suhrkamp.
Sammelband:
- Wesche, T.; Angebauer, N.; Blumenfeld, J. (2025): Umkämpftes Eigentum. Aktuelle Debatten, Berlin: Suhrkamp.
Aufsätze:
- Blumenfeld, Jacob (2024): „Die Rückkehr der Eigentumsfrage. Zur Geschichte und Theorie der Vergesellschaftung", in: Wesche, T.; Angebauer, N.; Blumenfeld, J. (Hrsg.): Umkämpftes Eigentum. Aktuelle Debatten, Berlin: Suhrkamp.
- Blumenfeld, J.; Berfelde, R. (2024): „Von der Vergesellschaftung zur Planung und wieder zurück", in: Prokla 215 54 (2), 177-193, https://doi.org/10.32387/prokla.v54i215.2119.
- Schosser, Yann; Theis, Laura Bella (2024): „Freedom, Experience and Emancipation: A Pragmatistic Inquiry on the Practices of Relating to Land in North American History“, in: Sofia Bianchi Mancini, Helen A. Gibson, Dirk Schuck, & Markus Vinzent (Hrsg.): Relating to Landed Property. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 229-257.
- Wesche, Tilo (2024): „Vernünftige Freiheit. Ein unvollendetes Projekt“, in: Stefan Müller-Doohm, Smail Rapic, Tilo Wesche (Hrsg.), Vernünftige Freiheit. Beiträge zum Spätwerk von Jürgen Habermas, Berlin: Suhrkamp, 161-193.
- Bandelin, S. und Esser, A. M. (2023): „Genossenschaften: Ergänzung, Korrektiv oder Alternative zu kapitalistischen Eigentumsformen", in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 24 (3), 288-308, https://doi.org/10.5771/1439-880x-2023-3-379.
- Blumenfeld, Jacob (2023): „The Freedom of Crime: Property, Theft and Recognition in Hegel’s System of Ethical Life“, in: British Journal for the History of Philosophy 31 (1), 103-126. DOI: 10.1080/09608788.2022.2148629.
- Wesche, Tilo (2023): „Eigentum“, in: Johannes J. Frühbauer, Michael Reder, Michael Roseneck, Thomas M. Schmidt (Hrsg.), Rawls Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Berlin: Metzler, 225-228.
- Wesche, Tilo (2023): „Hölderlin über geistiges Eigentum“, in: Nilas Baratella, Peter Neumann, Malte Maria Unverzagt (Hrsg.), Die Präsenz des Vergangenen, Paderborn: Brill/Fink, 19-224.
- Angebauer, Niklas (2022): „Democratising Property. The Case for Economic Democracy“, in: Paulina Fröhlich, Paul Jürgensen und Maxine Forwé (Hrsg.), Innocracy Focus Paper. Democratising the Economy in an Era of Disordered Order.
- Angebauer, Niklas (2022): „Kein Eigentum ist auch keine Lösung. Was wir vom theoretischen Armutsstreit lernen können“, in: Jan Beuerbach, Kathrin Sonntag, Amelie Stuart (Hrsg.), Der Stand der Dinge. Theorien der Aneignung und des Gebrauchs, Basel/Berlin: Schwabe.
- Blumenfeld, Jacob (2022): „Expropriation of the Expropriators“, in: Philosophy and Social Criticism 49 (4), 431-447. DOI: 10.1177/01914537211059513.
- Angebauer, N. & Habermann, T. (2021): „Wem gehört die Stadt? Eigentum in der Debatte um bezahlbares Wohnen“, in: Zeitschrift für Praktische Philosophie 8 (1), 307-336.: https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/251/242.
Medien und Podcasts
- Blumenfeld, Jacob (2023): „What was socialization? A look back“, in: Blog des Sonderforschungsbereichs „Strukturwandel des Eigentums“. (veröffentlicht am 15.01.2023)
Vorträge
- Tilo Wesche: „The Rights of Nature. On Sustainable Property“, Nelson Mandela University, Gqeberha/Südafrika, 27. März 2023.
- Tilo Wesche: „The Rights of Nature. A Challenge for Modernity, North-Western University, Potchefstroom/Südafrika, 24. März 2023.
- Tilo Wesche: „Dialektik der Naturverhältnisse“, Centre Marc Bloch Berlin, 27. Januar 2023.
- Tilo Wesche: „The Rights of Nature. On Sustainable Property“, Universidad de Antioquia, Medellin/Kolumbien, 22. November 2022.
- Tilo Wesche: „Wem gehört die Natur?“, Universität Oldenburg, 7. November 2022.
- Jacob Blumenfeld: „Sozialismus kommt von Sozialisierung” - Kämpfe um Vergesellschaftung und Verstaatlichung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Vortrag auf der Konferenz „Vergesellschaftung: Strategien für eine demokratische Wirtschaft“. (08.10.2022)