Energiewende für alle? Zum komplexen Zusammenhang von Energiewende, Mitbestimmung und Eigentumsverhältnissen
Komplexe und verzweigte Energieinfrastrukturen sind ein zentrales Element moderner Gesellschaften. Sie sind Gegenstand gesellschaftlicher Konflikte (z.B. Widerstände gegen Atomenergie oder Windparks) und Rückgrat großer Teilbereiche unserer Gesellschaft. Krisen wie der Ukrainekrieg und die damit einhergehenden Versorgungsknappheiten und steigenden Preise führen uns vor Augen, wie abhängig sich unsere Gesellschaft von bestimmten Energiesystemen gemacht hat. Dies wirft die Frage nach den gesellschaftlichen und politischen Zugriffs- und Einflussmöglichkeiten auf Energieinfrastrukturen auf. Solche Möglichkeiten hängen maßgeblich von politischen Entscheidungen und den resultierenden Eigentumsverhältnissen ab und sind in einem im Umbau begriffenen Energiesystem von besonderer Bedeutung. So stehen in Deutschland beispielsweise einer wachsenden Zahl von Rekommunalisierungs- und Bürgerenergieprojekten zunehmend zentralisierte, privatwirtschaftliche und finanzialisierte Eigentumsstrukturen, insbesondere der Offshore-Windenergie, gegenüber. Vor diesem Hintergrund fordert die Klimabewegung in den letzten Jahren verstärkt die Vergesellschaftung großer Energiekonzerne sowie die Stärkung von erneuerbaren Energien in Bürger:innenhand. Nur so sei – so das Argument – ein schneller und akzeptierter Umstieg auf erneuerbare Energien zu schaffen und die Klimaziele einzuhalten. Doch ist dieser Zusammenhang wirklich so eindeutig, dass dezentrale und von Bürger:innen mitgestaltete Energieinfrastrukturen die Energiewende beschleunigen und mehr zu ihrer Akzeptanz beitragen? Welche Rolle spielt überhaupt das Eigentum an Energieinfrastrukturen für eine breite und gute Daseinsvorsorge?
Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt für den Workshop „Energiekrise, Eigentum und Daseinsvorsorge - das Energiesystem im Wandel“, der im Frühjahr 2024 an der Friedrich-Schiller-Universität stattfand und von einer Arbeitsgruppe des SFB 294 „Strukturwandel des Eigentums“ organisiert wurde. In diesen Blogpost fließen zentrale Ergebnisse des Workshops und dessen Auswertung seitens der Organisator:innen ein, die wir unter die Leitfrage gestellt haben, welche Rolle das Eigentum an Energieinfrastrukturen für die Daseinsvorsorge (in Deutschland) spielt.
1. Zur Materialität Erneuerbarer Energien und der zugehörigen Akteursvielfalt
Im Vergleich zu fossilen Energiequellen weisen erneuerbare Energiequellen eine geringere Energiedichte auf, wodurch erheblich mehr Raum benötigt wird, um eine entsprechende Menge Energie zu erzeugen. Auch in anderer physikalischer Hinsicht unterscheiden sie sich von fossilen Energiequellen: Sonne, Wind und Wasser sind durch Fluidität, Flüchtigkeit und Fluktuation gekennzeichnet und lassen sich darüber hinaus nicht transportieren. Dementsprechend muss die Energieerzeugung am Ort ihres Vorkommens erfolgen. Dies trägt zum Charakter der räumlichen Verteilung erneuerbarer Energieerzeugung bei, die sich deutlich von der des fossilen Energieregimes unterscheidet, wo Energieerzeugung eher räumlich punktuell aber in ungleich naturzerstörenderer Weise erfolgt.
Der Flächenbedarf erneuerbarer Energieerzeugung führt dazu, dass bei vielen Menschen Energieerzeugung ins Alltagsbewusstsein rückt und dies teilweise auch auf negative Weise. Während Strom für die meisten im fossilen Zeitalter einfach „aus der Steckdose“ kam und sich, abgesehen von Beschäftigten und unmittelbaren Anwohner:innen, nur wenige für seine Erzeugung interessierten, sind erneuerbare Energielandschaften sichtbarer und dezentraler. Daher entzünden sich an ihnen anders gelagerte Konflikte um eine gerechte Verteilung von Nutzen und Lasten als bei früheren Energieregimen, z.B. der Atomkraft. Aus diesem Grund verweisen Akteure aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft immer wieder darauf, dass lokale Bevölkerungen auch die Möglichkeit gegeben werden müsse, von der Energieerzeugung in ihrem lebensweltlichen Umfeld zu profitieren (z.B. durch finanzielle Zuwendungen an die Gemeinde, eine direkte, verlässliche und günstige Energieversorgung oder individuelle Investitionsmöglichkeiten). Diese geforderte und teilweise bereits umgesetzte Beteiligung von Bürger:innen führt bereits zu einer Diversifizierung der Akteursstruktur. Hinzu kommt, dass es für Stadtwerke und Energiegenossenschaften einfacher wird, sich lokal und in kleinerem Maßstab in der Energieerzeugung zu engagieren. Allerdings verändert sich die Akteursvielfalt weiter und ist stets umkämpft.
Nach einer Phase relativer Diversität in der Energiewende in Deutschland in den 2000er- und frühen 2010er-Jahren lassen sich aktuell zunehmende Homogenisierungs- bzw. Zentralisierungstendenzen beobachten hin zu erneuerbarer Energieerzeugung in den Händen großer Energiekonzerne. Dementsprechend scheint es keinen quasinatürlichen Zusammenhang zwischen dem räumlich verteilten Charakter Erneuerbarer einerseits und Akteursvielfalt andererseits zu geben, sondern eher eine historisch strukturierte Entwicklung. Das deutlichste Beispiel ist Offshore-Windenergie in Deutschland, wo sich vier große Konzerne über 65% des Marktes teilen. Akteursvielfalt und eine Vielfalt von Eigentumsverhältnissen sind daher eine Frage politischer Rahmensetzung und politischer Durchsetzung – auch wenn es zunächst seitens einiger Akteure eine Hoffnung auf dezentrale und stärker demokratisch kontrollierte Energieversorgung auf erneuerbarer Grundlage gab.
Ein genauerer Blick auf das fossile Energieregime zeigt, dass bereits dort die Akteurs- und Eigentumsstrukturen durch staatliche Regelungen (oder deren Abwesenheit) bestimmt waren: auch das fossile Energieregime erlebte daher unterschiedliche Wellen der Privatisierung und Zentralisierung bzw. Kommunalisierung. So nahm historisch der Staat eine zentrale Rolle beim Auf- und Ausbau von Energieinfrastrukturen im Zuge der Elektrifizierung am Ende des 19. Jahrhunderts ein (Hughes 1983). In ländlichen Regionen in Deutschland, in denen der Staat oder größere Energieunternehmen die Elektrifizierung aus Kostengründen nicht vorangetrieben hatten, übernahmen oft Genossenschaften den Ausbau (Yildiz 2014). In Europa dominierten lange große staatliche Unternehmen die Energieversorgung. In den 1990er Jahren setzte aufgrund entsprechender EU-Gesetzgebung eine Liberalisierungs- und Privatisierungswelle ein (Pepermans 2019). Es zeigt sich, dass auch dem fossilen Energieregime weder Zentralität noch Dezentralität eingeschrieben waren und sind, sondern Varianz existiert.
2. Ambivalenzen genossenschaftlichen und kommunalen Eigentums
Energieinfrastrukturen aufzubauen und zu erhalten war in Deutschland nicht in erster Linie eine Frage des Profits, sondern entscheidender Beitrag zur Daseinsvorsorge. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund etwa versteht unter öffentlicher Daseinsvorsorge die staatliche Tätigkeit zur „Bereitstellung der für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendigen Güter und Dienstleistungen“. Sie sichert und gewährleistet, in Anlehnung an das Grundgesetz, die „soziale Teilhabe aller Bürger“ (DStGB 2020:1, zit. nach Albrecht 2023: 39). Auch die Begriffe Existenzsicherung und zivilisatorische Grundversorgung werden in Debatten um Daseinsvorsorge und ihre Aufgaben häufig bemüht. Bezogen auf das Feld der Energieversorgung wird insbesondere auf den universellen Zugang zu Energie, etwa Strom oder Gas, verwiesen, der durch staatliche Institutionen gewährleistet werden soll. Fraglich ist allerdings, wie die gängige Umsetzung der Daseinsvorsorge im Einklang mit der Umstellung auf erneuerbare Energien steht.
Die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien bringen vor allem die kommunalen Stadtwerke als ausführende Organe unter Zugzwang die Energiewende umzusetzen. Da sie die Daseinsvorsorge vor Ort gewährleisten sollen und die lokalen Rahmenbedingungen kennen, ist es ihnen im besonderen Maße möglich, sich flexibel an lokale Bedürfnisse anzupassen.
Mit der Dezentralisierung gewinnen jedoch auch Energiegenossenschaften (und ähnliche Bürger:innenenergiemodelle), an Popularität. Formen der Beteiligung an Energieinfrastruktur gelten oftmals als partizipativer, solidarischer und gerechter, da Bürger:innen hier (in der Regel) sowohl an den Gewinnen als auch an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Allerdings sind weder Genossenschaften noch Stadtwerke per se Treiber eines schnellen, demokratischen und gerechten Ausbaus erneuerbarer Energien. Es zeigt sich, dass sowohl Genossenschaften als auch Stadtwerke hinsichtlich dieser Thematik Ambivalenzen aufweisen.
Genossenschaften nehmen in Eigentumsfragen an Energieinfrastrukturen eine besondere Stellung ein, denn hier kaufen Mitglieder Anteile an den genossenschaftlichen Energieanlagen (meist Solaranlagen oder Windkraftwerke) und werden zu Miteigentümer:innen. Damit geht, so zeigen die Untersuchungen des SFB Teilprojektes C06 (“Dinge verfügbar machen”), eine veränderte Form der Beziehung zur Energie einher. Die Energie kommt nicht mehr selbstverständlich und unhinterfragt „aus der Steckdose“, vielmehr sind die Genossenschaftsmitglieder durch gemeinsame Dachmontagen, Anlagenbesichtigungen oder Informationsveranstaltungen aktiv in die Energieproduktion involviert. Weiter sind sie von politischer Regulierung, monetären Gewinnen und Verlusten oder schlichten Wetterumschwüngen direkt betroffen. Oftmals fühlen sich die Beteiligten als Teil einer sozialen Gemeinschaft und betrachten die Energiewende und demokratische Bürger:innenbeteiligung als miteinander verschränkt. Menschen, die sich in Energiegenossenschaften engagieren, identifizieren sich mit den Energieanlagen und der Stromproduktion. Sie sprechen der Energie als ‚Eigentum‘ einen emotionalen Wert zu, der auch die Natur als Energieträger einschließt. Gleichzeitig finden sich in der Anteilseigentümer:innenstruktur von Genossenschaften Ab- und Ausgrenzungstendenzen angelegt, sowie der Gedanke von Gruppenexklusivität und -autonomie, die Spaltungen wie lokal-national, West-Ost oder Stadt-Land vertiefen. Die Teilhabe an gemeinsamem Eigentum scheint demnach einerseits notwendig für lokale Wertschöpfung und eine wertschätzende Beziehung zum sozialen Umfeld sowie zu erneuerbaren Ressourcen. Autarkiebestrebungen können aber andererseits auch zu Entsolidarisierungseffekten führen. Auch ökonomisch liegt die Energieinfrastruktur in Hand einiger weniger Mitglieder, die zumeist hinsichtlich Bildung und finanziellen Möglichkeiten bessergestellt sind. Für Bürger:innen, die nicht Mitglied einer Energiegenossenschaft sind, ist die demokratische Mitbestimmung über die Energieerzeugung entsprechend eingeschränkt. Anders ist dies bei Stadtwerken, bei denen Bürger:innen zumindest indirekt über die demokratisch gewählte Stadtvertretung auf die Ausrichtung der lokalen Energieversorgung Einfluss nehmen können. Über die Wahl des Gemeinde- oder Stadtrates stimmen sie über den Aufsichtsrat des Stadtwerkes ab und entscheiden über dessen Geschäftsleitung mit. Sie haben durch ihr politisches Votum zudem Einfluss auf die lokalen Rahmenbedingungen, wie etwa Klima- und Umweltschutzziele, die wiederum von den Stadtwerken umgesetzt werden müssen. Dabei ist jedoch unklar, inwiefern sich die Wähler:innen tatsächlich über ihren Einfluss auf die lokalen Infrastrukturunternehmen bewusst sind. Anders als bei Bürgerenergiegenossenschaften zeichnen sich kommunale Energieversorger aber gerade dadurch aus, dass die gesamte Kommune von ihren Gewinnen profitiert, statt nur einigen wenigen Mitgliedern zu dienen.
3. Die Zukunft der Daseinsvorsorge vor dem Hintergrund einer notwendigen Energiewende
Als oftmals einziger gewinnbringender Sektor der Daseinsvorsorge liegt es meist an der Energiesparte der kommunalen Stadtwerke andere lokale Infrastrukturen, etwa den Nahverkehr oder Freizeitanlagen, per Querfinanzierung aufrechtzuerhalten. Damit tragen sie nicht nur zur lokalen Wertschöpfung, sondern auch zur sozialen Teilhabe bei. Sie sind also nicht nur selbst Teil der Daseinsvorsorge, sondern finanzieren auch andere Bereiche der Daseinsvorsorge mit.
Trotzdem sorgen Stadtwerke damit nicht notwendigerweise für eine Beschleunigung der Energiewende und eine gerechte Verteilung von Einnahmen aus den erneuerbaren Energien. Aufgabe der Kommunen und deren demokratisch gewählten Vertreter:innen ist es zum einen die Daseinsvorsorge vor Ort zu gewährleisten und zum anderen die Energiewende voranzutreiben Vor dem Hintergrund dauerhaft unterfinanzierter Kommunen sind diesen jedoch zunehmend die Hände gebunden: Die Quersubventionierung muss schließlich jenes ausgleichen, was durch Jahre lange Unterfinanzierung zu kurz getreten ist, darunter baufällige Schulen, marode Straßen sowie die Minusgeschäfte der Bäder und des ÖPNVs. Die Stadtwerke beklagen deshalb zunehmend, dass sie durch diese finanzielle Last viel weniger Handlungsspielraum beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wärmeversorgung hätten. Hier stellt sich verschärft die Frage, wem die durch die Energieversorger erwirtschafteten Gewinne zugutekommen (sollen) und wie über ihre Verwendung entschieden wird. Andererseits ist darauf zu verweisen, dass Stadt- und Gemeinderät:innen zwar demokratisch gewählt werden, sie damit aber nicht automatisch Befürworter:innen erneuerbarer Energien oder von Investitionen in Zukunftstechnologien sind. Entsprechende Mehrheiten im Gemeinderat können das Engagement der Stadtwerke beim Ausbau erneuerbarer Energie blockieren, wodurch diese zu einem unzuverlässigen Akteur der Energiewende werden können. Die Abhängigkeit der Ausrichtung der Stadtwerke von kommunalpolitischen Mehrheitsverhältnissen erscheint vor allem vor dem Hintergrund einer wachsenden Zustimmung zu rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien als entscheidendes Hindernis für die kommunale Umsetzung der bisher angestrebten Energiewende.
Versteht man Daseinsvorsorge nicht nur als Sicherung der Grundbedürfnisse in der Gegenwart, sondern auch als Sicherung einer „enkeltauglichen“ Zukunft, dann zeigt sich, dass der Weg über Eigentum an genossenschaftlichen bzw. kommunalen Verbünden nicht zwangsläufig die bessere Wahl für die Sicherung der Daseinsvorsorge ist bzw. bleiben kann.
Die Diskussionen im Workshop haben nahegelegt, dass in Hinblick auf den drängenden Handlungsbedarf aufgrund des Klimawandels auch das gängige Verständnis und die gegenwärtige Praxis von Daseinsvorsorge im Energiebereich kritisiert und adjustiert werden müssen. Kritisierbar ist insbesondere, dass diese häufig zukünftige ökologische und soziale Herausforderungen außer Acht lassen. Der Fokus liegt eher auf der akuten (möglichst kosteneffizienten) Bereitstellung von Energie als die langfristig gesicherte Versorgung, die Problemen wie Klimawandel und Ressourcenverknappung Rechnung trägt. Wenn man allerdings die Energiewende als Teil einer unabdingbaren sozial-ökologischen Transformation ernst nimmt, dann müssen mit ihr neben veränderten Naturbeziehungen (etwa die Umstellung auf erneuerbare Energien) auch veränderte Sozialbeziehungen einhergehen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass wir Daseinsvorsorge neu denken müssen und zwar als eine sozial-ökologisch tragfähige Form der Bedürfnisbefriedigung. Als solche würde der „Vorsorge“-Aspekt in den Fokus rücken und die Gewährleistung des Zugangs zu bestimmten Ressourcen und Dienstleistungen auch für zukünftige Generationen im Sinne einer nachhaltigen Förderung des Gemeinwohls zentrale Bedeutung erlangen. Dieses erweiterte Verständnis erlaubt es, den Ausbau erneuerbarer Energien als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und staatlicher Akteure verschiedener Ebenen zu deuten.
Zugleich zeigen die Ergebnisse unseres Workshops, dass Stadtwerke als zentrale Akteure der Energiewende auf lokalstaatlicher Ebene nicht zwangsläufig auf erneuerbare Energien setzen. Auch bewirken Liberalisierungstrends im Energiesektor, dass sich öffentliche Akteure häufig auf Kosten von Zielen des Gemeinwohls zunehmend einer Markt- und Effizienzlogik beugen. Dies ist ein weiterer Grund dafür, dass öffentliches Eigentum allein keine hinreichende Bedingung für eine sozial-ökologische Transformation und nachhaltige Daseinsvorsorge darstellt. In Reaktion fordern Klimabewegungen, neben der Entprivatisierung von Energieinfrastrukturen und der stärkeren Regulierung privater Akteure auch mehr zivilgesellschaftliche Mitbestimmung über die Ausgestaltung von Energiesystemen und eine Demokratisierung bereits öffentlicher Energieinfrastrukturen.
Auch wenn es keinen Automatismus gibt, dass öffentliches Eigentum zu einer schnelleren und sozial gerechten Energiewende führt, werden die großen fossilen Energieunternehmen diese sicherlich noch weniger von selbst herbeiführen. Schließlich haben diese ein Eigeninteresse, nicht zu schnell aus fossilen Brennstoffen auszusteigen, weil sie sonst in hohem Maße „stranded assets“ hätten. Die großen (fossilen) Energieunternehmen setzen zwar oft in ihrer Außendarstellung auf Erneuerbare und präsentieren sich als Vorreiter. Ein genauer Blick auf ihre Investitionsentscheidungen zeigt aber: Sie investieren noch immer viel mehr in fossile Energien und machen damit auch deutlich mehr Gewinn; dies lässt auch Zweifel aufkommen, ob dieses „fossilisierte Kapital“, wie Christopher Brett (2021) es nennt, tatsächlich die Energiewende voranbringt, solange die großen Energieunternehmen nicht durch politische Regulierung und Anreizsetzung zum Ausstieg aus den Fossilen gebracht werden.
4. Fazit
Energieinfrastrukturen bilden das Rückgrat vieler anderer Bereiche der Daseinsvorsorge; ohne Energie würden auch die Tätigkeiten in Gesundheit, der Mobilität, oder der Bildung zum Erliegen kommen. Die Abhängigkeit von fossilen Energiesystemen mit einer starken monopolistischen Strukturierung macht Gesellschaften besonders vulnerabel, wie die jüngsten (geopolitischen) Krisen gezeigt haben. Der drängende Wandel des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien wurde bisher insbesondere durch Bürger:innenenergie und kommunale Anbieter:innen getragen, während die großen Konzerne trotz gegenteiligen Marketings noch immer stark auf fossile Energieträger setzen. Auch wenn, wie gezeigt, öffentliche Beteiligung und Kontrolle nicht automatisch zu einem stärkeren Engagement für die Energiewende führen, birgt die Pendelbewegung hin zu kommunalen und genossenschaftlichen Akteur:innen im Energiesektor dennoch – unter bestimmten Bedingungen – das Potential für eine schnelle und konsequente Energiewende. Diese Bedingungen sind etwa die stärkere Regulierung großer, profitorientierter Stromkonzerne und internationaler Energiemärkte, als auch eine größere finanzielle Unterstützung der Kommunen. Auch muss ein Konzept von Daseinsvorsorge verfolgt werden, das eine nachhaltige und langfristige Bedürfnisbefriedigung anstrebt, sowie Zugangsrechte und Mitgestaltungsmöglichkeiten durch die Bevölkerung gewährleistet. Eine Stärkung sozialer (Zugangs-)Rechte gepaart mit Mitgestaltungsmöglichkeiten des Energiesystems, etwa in Form von Co-Produktion zwischen Stadtwerken und Bürgerenergie, ermöglicht es Energieinfrastrukturen als Sozialeigentum zu konstituieren, welches das Potential hat, die Vulnerabilität von Gesellschaften im Krisenfall stark zu minimieren (siehe van Dyk und Kip 2023). Hier lassen sich auch Brücken zu den viel diskutierten Ansätzen der Fundamentalökonomie (FEC 2019) und des Infrastruktursozialismus (etwa Neckel 2022) schlagen, die eine Ausrichtung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Gesellschaft stark machen und den gemeinwohlorientierten Umbau von Infrastrukturpolitik als wichtigen Hebel für eine sozial-ökologische gesellschaftliche Transformation verstehen.