June 2, 2025

Private Investitionen im europäischen Fußball – Chance oder Gefahr?

Authors: Andrea Dietl , Mike Geppert

Der europäische Profifußball hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Private Investitionen durch Einzelpersonen, Investmentgesellschaften und staatlich unterstützte Fonds haben die Eigentümerlandschaft vieler Clubs neu definiert – mit weitreichenden Auswirkungen auf sportliche Wettbewerbsstrukturen und gesellschaftliche Werte.

Der Wandel der Eigentumsverhältnisse

Fußball ist weit mehr als nur ein Spiel – er wirkt als soziales Bindeglied in unserer Gesellschaft. Ob im Stadion, auf dem Bolzplatz oder beim Public Viewing: Fußball bringt Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen, fördert den Dialog und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Gerade in einem vielfältigen Europa zeigt sich, wie der Sport Brücken baut und soziale Interaktion auf ganz natürliche Weise entstehen lässt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2024). Traditionell waren Fußballvereine in Europa meist lokal verankert – entweder im Besitz wohlhabender Geschäftsleute oder, wie in Deutschland, Eigentum ihrer Mitglieder. Doch diese Strukturen sind im Zuge der zunehmenden Privatisierung und Internationalisierung stark unter Druck geraten. Besonders die englische Premier League und die französische Ligue 1 haben sich als bevorzugte Ziele privater Investoren herauskristallisiert (vgl. Bloomberg 2023). Die Investoren reichen von Milliardären über Private-Equity-Fonds bis hin zu staatlichen Investmentgesellschaften aus dem arabischen Raum. Deutschland bildet mit seiner 50+1-Regel eine Ausnahme, wobei diese durch prominente Sonderregelungen (etwa bei Bayer Leverkusen oder VfL Wolfsburg) faktisch aufgeweicht wurde. Die 50+1-Regel im deutschen Profifußball soll sicherstellen, dass Vereine die Kontrolle über ihre Profiabteilungen behalten. Sie besagt, dass die Muttervereine mindestens 50 Prozent plus eine Stimme an ihren Kapitalgesellschaften halten müssen. So wird verhindert, dass Investoren alleinige Entscheidungen treffen können – und sichergestellt, dass die Identität sowie die Werte des Vereins gewahrt bleiben (vgl. Bauers et al. 2019).

Die Folge dieser Entwicklung ist eine zunehmende Konzentration von Macht und Kapital bei wenigen Clubs. Zu diesen Clubs gehören bspw. Real Madrid, Manchester City oder Paris Saint-Germain, welche immer reicher und dominanter werden, was den Wettbewerb sowohl in nationalen Ligen als auch im internationalen Fußball verzerrt. Die Fußballverbände, etwa die UEFA, tragen teilweise zur Verschärfung dieser Entwicklungen bei, indem sie ihre Regeln an diese angepasst haben: Ein Beispiel dafür ist die Reform der Champions League: Statt den Wettbewerb breiter für kleinere Vereine zu öffnen, wurden die Zugangs- und Verdienstmöglichkeiten so gestaltet, dass Topclubs (besonders aus großen Ligen wie England, Spanien, Deutschland oder Italien) noch größere Vorteile genießen. Dadurch sichert die UEFA den finanzstarken Clubs regelmäßige Einnahmen aus dem europäischen Wettbewerb – was die Konzentration von Geld und Macht weiter verstärkt, anstatt sie zu bremsen. Diese Prozesse sind eng mit zentralen Konflikten um Eigentumsfragen, sportliches Fairplay und gesellschaftliche Verantwortung verbunden (vgl. Rohde/Breuer 2017; Sass 2016).

Die Motive der Investoren: Kapital, Image und Soft Power

Private Investitionen im Fußball sind von heterogenen Motiven geprägt. Während Gewinnstreben eine Rolle spielt, geht es oft ebenso um Imagepflege, geopolitischen Einfluss und persönliche Prestigegewinne (vgl. Gammelsæter/Walters 2020). Fußballvereine sind sogenannte „hybride Organisationen“, in denen Markt-, Gemeinschafts- und Staatslogiken miteinander verschmelzen (vgl. Maier et al. 2016). Insbesondere Staatsfonds aus dem arabischen Raum nutzen den Sport für gezielte Imagepolitik („Sportswashing“). Saudi-Arabien etwa investierte zwischen 2014 und 2021 rund 1,5 Milliarden US-Dollar in den globalen Sportsektor – seit 2021 sind es bereits mindestens weitere 6 Milliarden US-Dollar (vgl. Michaelson 2023). Der Einfluss dieser Investitionen geht weit über die individuelle Clubpolitik hinaus: Er verändert die öffentlichen Wahrnehmungen von Staaten, lenkt gesellschaftliche Debatten und führt oft zu massiven Überinvestitionen und wachsender Verschuldung der Vereine.

Sportlicher Erfolg durch Kapital? Eine ungleiche Entwicklung

Die Öffnung für private Investitionen hat im europäischen Fußball zu einer massiven Ungleichheit geführt. Laut dem Deloitte Football Money Ball Bericht (vgl. Tantam/Bridge 2023) lagen die Gesamteinnahmen des europäischen Profifußballs 2008 bei 11,5 Milliarden Euro; 2018 waren es bereits 21 Milliarden Euro. Besonders auffällig: Ein Viertel dieser Umsätze entfiel auf nur zehn Clubs aus vier Ländern – England, Spanien, Frankreich und Deutschland (vgl. Webber/ Turner 2023).

Die Premier League- und Bundesliga-Clubs erzielten höhere Einnahmen als sämtliche übrigen Erstligisten außerhalb der „Big Five“-Ligen zusammen (vgl. Webber/ Turner 2023). Während einige wenige Clubs Einnahmen von über 100 Millionen Euro pro Jahr verbuchen, erwirtschafteten mehr als 269 Vereine europaweit weniger als eine Million Euro jährlich (vgl. Tantam/Bridge 2023). Diese finanzielle Dominanz schlägt sich direkt in sportlichem Erfolg nieder: „Geld schießt Tore“, lautet die nüchterne Erkenntnis. Der Wettbewerb wird damit nicht nur auf dem Platz entschieden, sondern zunehmend auch im Finanzsektor.

Konflikte um Eigentum: Die gescheiterte European Super League

Um sich von nationalen Wettbewerben unabhängiger zu machen und mehr Einnahmen zu generieren, diskutierten Topklubs wie Real Madrid, AC Mailand und Manchester United schon in den 1990er Jahren über eine exklusive Liga der Elite. Ein erster Schritt in diese Richtung war 1992 die Umwandlung des Europapokals der Landesmeister in die UEFA Champions League. Mit Gruppenphasen, höheren Preisgeldern und besseren TV-Verträgen wurde sie zum Flaggschiff des europäischen Vereinsfußballs. Dennoch blieb die Idee einer noch exklusiveren Liga im Hintergrund bestehen – regelmäßig befeuert durch Verhandlungen über TV-Rechte oder Reformen des UEFA-Wettbewerbsformats. Vor allem ab den 2010er Jahren wuchs die Unzufriedenheit einiger Großclubs mit der UEFA. Sie forderten mehr Mitsprache, garantierte Startplätze und eine gerechtere Verteilung der Einnahmen.

Am 19. April 2021 war es endlich so weit: zwölf europäische Topclubs aus England (FC Arsenal, FC Chelsea, FC Liverpool, Manchester City, Manchester United, Tottenham Hotspur), Italien (AC Mailand, Inter Mailand, Juventus Turin) und Spanien (FC Barcelona, Real Madrid, Atlético Madrid) gaben bekannt, sich aus der bestehenden Verbandsstruktur zurückzuziehen und eine eigene Elite-Liga namens European Super League (ESL) zu etablieren. Das Fußballmagazin Kicker berichtete ausführlich über die Gründung und die neuen Machtverhältnisse, die mit der ESL-Gründung einhergingen. JP Morgan, ein führendes amerikanisches Unternehmen im Investmentbanking, unterstützte dieses Projekt mit 3,5 Milliarden Euro. Die öffentliche Reaktion war verheerend: Massive Proteste von Fans, Kritik von Spielern, Funktionären und Politikern zwangen neun Vereine innerhalb von 48 Stunden zum Rückzug. Der Widerstand gegen die ESL beruhte maßgeblich auf der Wahrnehmung, dass sie die gewachsene Beziehung zwischen Fans und Vereinen sowie zentrale Werte des Fußballs – wie Fairness, sportliche Qualifikation und Teilhabe – infrage stellt (vgl. Bertin et al. 2025). Real Madrid, Barcelona und Juventus arbeiteten wiederum weiterhin an einer Neuauflage des Projekts, unterstützt durch die Lobbygruppe A22. Die ESL zeigt, wie stark der Einfluss privater Kapitalinteressen auf traditionelle Sportstrukturen geworden ist – und wie schwer es ist, diese Interessen mit den Prinzipien von Fairness, Partizipation und sportlicher Chancengleichheit in Einklang zu bringen.

Fazit

Private Investitionen im Fußball eröffnen zweifellos neue Möglichkeiten – etwa durch Professionalisierung, Modernisierung und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig bergen sie erhebliche Risiken: Sie können die soziale Verankerung des Sports schwächen, traditionelle Vereinsstrukturen untergraben und die Kluft zwischen finanzstarken und kleineren Clubs weiter vergrößern.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein. Es liegt an Fußballverbänden, Vereinen und der Politik, verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die wirtschaftliche Dynamik mit gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen. Nur so kann der Fußball seine Rolle als integratives und gemeinwohlorientiertes Kulturgut bewahren.

 

Foto von Connor Coyne auf Unsplash