March 1, 2022

Veranstaltungsbericht

Transferforum: Konflikte um nachhaltige Mobilität – Perspektiven aus Klimabewegung, Gewerkschaft und Betrieb

Autor: Oskar Butting

Am 08. Februar 2022 fand die Onlineveranstaltung „Konflikte um nachhaltige Mobilität – Perspektiven aus Klimabewegung, Gewerkschaft und Betrieb“ mit zeitweise über 80 Teilnehmer*innen statt. Organisiert wurde sie im Rahmen des SFB-Transferbereichs „Eigentum und (Post-)Wachstum“, welcher sich damit der krisenhaften Transformation des Verkehrssektors< zuwendete. Unter der Moderation der Projektmitarbeiter*innen Kim Lucht und Steffen Liebig tauschten sich die Gäste Ferhat Kirmizi, Lea Knoff, Laura Meschede und Christopher Szymula über die Möglichkeiten und Perspektiven der Zusammenarbeit von Klimabewegung, Gewerkschaft und Betrieb aus. Lea Knoff und Christopher Szymula waren Teil der Allianz von Fridays for Future/Students for Future (FFF) und ver.di, die sich im Rahmen der Tarifverhandlungen TV-N 2020 für den ÖPNV gründete. In München wiederum kämpfen aktuell Klimaaktive, wie Laura Meschede, zusammen mit Beschäftigten und Betriebsrät*innen, wie Ferhat Kirmizi, für den Erhalt des lokalen Bosch-Werkes und die Konversion hin zu klimafreundlichen Produkten.

Zu Beginn wurden die jeweiligen Allianzen und die Ziele von den beteiligten Gästen vorgestellt. Beide Bündnisse entstanden auf Initiative der Klimagruppen, die den Kontakt zu der Gewerkschaft bzw. den Beschäftigten aktiv gesucht haben. Hinter diesem Vorgehen steckt ein strategischer Wandel in der Klimabewegung: Um soziale mit ökologischen Forderungen zusammenzubringen und zu verknüpfen, eignen sich demnach besonders bereits bestehende Konflikte, wie die Tarifauseinandersetzung im ÖPNV oder die drohende Schließung des Bosch-Werkes.

Hindernisse bei der Allianzbildung bleiben allerdings nicht aus. So berichteten die Klimaaktiven, dass diese Kooperation nicht ohne anfängliche Skepsis unter den Beschäftigten ablief, insbesondere in Leipzig. Viele Vorurteile gegen die Klimabewegung konnten allerdings in persönlichen Treffen abgebaut werden, z.B. wurden bei der Erarbeitung konkreter Pläne für die Zusammenarbeit gemeinsame Interessen erkannt. Unter den Beschäftigten und den Klimaaktiven hat dies häufig zu einem Umdenken und neuen Perspektiven geführt. Besonders unter den Bosch-Beschäftigten gab es eine große Zustimmung: Zwei Drittel unterzeichneten einen von den Klimaaktiven und Betriebsrät*innen verfassten offenen Brief an Bosch, in welchem der Erhalt des Werkes und eine Konversion zu klimafreundlichen Produkten gefordert wurde. Somit konnten die Bündnisse durchaus als Erfolg betrachtet werden, auch wenn der Erhalt des Bosch-Werkes bisher noch weiterverhandelt wird und auch in dem FFF/ver.di-Bündnis nicht alle Tarifforderungen erfüllt wurden.

Auch über Eigentumsverhältnisse wurde diskutiert: An diesen wird, so die Gäste aus München, die politische Macht sichtbar, Konversionsforderungen umzusetzen. So haben sich die Klimaaktiven und Beschäftigten im Vorfeld mit den Möglichkeiten einer nachhaltigen Produktionsumstellung im bestehenden Werk beschäftigt. Jedoch mussten sie schnell feststellen, dass sie aufgrund der privatwirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse nicht in der Machtposition sind, die Konversion auch praktisch herbeizuführen. Auch wenn sich die Aktiven im Bündnis dieser Situation vollends bewusst sind, ist es Teil ihrer politischen Strategie den zugrundeliegenden Widerspruch zwischen dem sozial und ökologisch Notwendigem und dem privaten Profitstreben – und damit auch die Eigentumsfrage – aufzuzeigen.

Ebenso berichteten die Gäste aus Leipzig, dass sie es mit komplexeren Eigentumsverhältnissen und Finanzierungsweisen im ÖPNV zu tun haben. Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sind ein kommunales Unternehmen der Stadt und werden von ihr verwaltet. Die Verwaltung der Finanzmittel erfolgt allerdings durch die Geschäftsführer*innen. Das ist vor allem relevant für die Adressierung der Forderung und schlussendlich auch für die politische und ökonomische Verantwortung eine umfassende Verkehrswende umzusetzen. Hierbei zeigte sich eine große Stärke des Bündnisses: Klimaaktive und Gewerkschafter*innen konnten sich bestens ergänzen, indem erstere vor allem für politischen Druck sorgten, während letztere durch Streiks Druck auf die Geschäftsführer*innen auswirkten.

Nach einem kurzen Ausblick auf kommende Auseinandersetzungen, wie ÖPNV-Tarifrunde TV-N 2023/24, gab es für die Zuschauer*innen die Gelegenheit sich untereinander in Breakout-Sessions auszutauschen und anschließend Fragen an die Gäste und Diskussionsbeiträge im Plenum zu stellen. Hierbei ging es beispielsweise um die Rolle von Utopien und radikalere Forderungen wie Vergesellschaftung von Unternehmen. An diesen Fragen wird die unterschiedliche politische Ausgangslage von Gewerkschafter*innen und Beschäftigten sowie Klimaaktiven deutlich: Während diese Themen in der Klimabewegung viel diskutiert werden, sind sie unter in den Belegschaften weniger weit verbreitet; vielmehr herrscht häufig das Gefühl vor, solche Einschätzungen würden an der Realität vorbeigehen. Eine mögliche Schlussfolgerung daraus lautet, dass die angestrebte Transformation eine konkretere Gestalt annehmen und zudem mit den Beschäftigten zusammen entwickelt und breit diskutiert werden muss. Der Aspekt der zwingenden und aktiven Beteiligung der Beschäftigten an Zukunftsmodellen, wird am Beispiel der Forderung nach einem kostenlosen ÖPNV deutlich: Als die Klimaaktiven zum ersten Mal vor den Beschäftigten einen kostenlosen ÖPNV forderten, stießen sie zunächst auf Ablehnung. Während der folgenden Diskussion darüber wurde deutlich, dass die Beschäftigten ohne konkrete Finanzierungskonzepte fürchten, die wegfallenden Ticketeinnahmen über ihr Gehalt und Arbeitsbedingungen kompensieren zu müssen. Schlussendlich kam das Bündnis auf die gemeinsamen Forderungen nach einem ticketlosen ÖPNV, dem Ausbau des ÖPNV und die Verbesserung des Arbeits- und Entgeltbedingungen.

Für die Zukunft wird diese Form der politischen (Zusammen-)Arbeit nach Auffassung der geladenen Akteure zunehmend wichtiger. Auch der Austausch untereinander – zwischen verschiedenen Bündnissen und mit einer (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit –, wie dies im Transferforum stattfand, gewinnt damit an Relevanz.