Juristische Personen des Privatrechts mit Eigentum an sich selbst (Rechtsfähige Stiftungen und Unternehmen in Verantwortungseigentum)

Projektbeschreibung
Bisher wurde im Teilprojekt das Thema „Testament und Stiftung als Instrumente zur Verewigung von Person und Eigentum“ vor allem für das Verhältnis von Erbrecht und Eigentum im römischen Recht einerseits und für die Entstehung der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts im 19. Jahrhundert andererseits untersucht. Im Hinblick auf die allgemeine Fragestellung des Sonderforschungsbereichs und sich andeutende mögliche Zäsuren wollen wir nun die Grundfragen unseres Themas anhand jüngerer Entwicklungen und gegenwärtiger Diskussionen bearbeiten. Als Untersuchungszeitraum bieten sich die Jahrzehnte ab etwa 1970 an. In diesem Zeitraum kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu einem immer noch sogenannten Stiftungsboom, welcher mit Diskussionen über Eigentümerbefugnisse und die Rechte von Angehörigen, der Allgemeinheit und späterer Generationen einherging. Die Hälfte der um 2003 existierenden rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts waren innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte gegründet worden. Mittlerweile hat sich die Zahl der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts gegenüber 1970 trotz einer langandauernden Niedrigzinsphase verfünffacht. Neue Stiftungsformen und spezielle rechtliche Konstrukte sind entstanden. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, die (ausschließlich) gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung sind, nach Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die allerdings nicht alle rechtsfähigen Stiftungen erfassen, von lange konstanten 95 % (noch 2018) über rund 92 % (2021) auf 90 % (2023) zurückgegangen sein soll. Bei den steuerpflichtigen Stiftungen (wie beispielsweise privat- bzw. eigennützigen Familienstiftungen) ist hingegen in den vergangenen Jahren ein überdurchschnittlicher Anstieg zu beobachten. Während der Bundesverband Deutscher Stiftungen betont, dass die überwältigende Mehrheit der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolge, ist im facettenreichen Schrifttum zum Stiftungswesen demgegenüber auch von einem sprunghaften Anstieg privat- bzw. eigennütziger Stiftungen in Form von Unternehmensstiftungen und Familienstiftungen die Rede.
Seit Ende 2019 werden zudem mit großem medialem Echo alternative rechtliche Konstrukte (ohne Stiftungsaufsicht) für deutsche Unternehmen diskutiert. Die „Stiftung Verantwortungseigentum“ (rechtlich seit 2022 ein eingetragener Verein) fordert eine neue Rechtsform für Unternehmen in Verantwortungseigentum bzw. für treuhänderisches Unternehmertum. Es geht hier (auch) um die spezifische Spannungslage zwischen Unternehmenserhalt und Dispositionsfreiheit der nächsten Generation („Herrschaft der toten Hand“), also um eine klassische Vorstellung der Aufklärung, dass die Verstorbenen nicht mittels Erbe und Stiftungen über die Lebenden herrschen sollen. Im Rahmen des Teilprojekts „Juristische Personen des Privatrechts mit Eigentum an sich selbst“ sollen zum einen die Ausprägungen des Stiftungsbooms seit etwa 1970 in rechtstatsächlicher Hinsicht ermittelt und die ihn ausmachenden Stiftungsformen zivilrechtlich und rechtspolitisch (auch steuerrechtlich und rechtsvergleichend) bewertet werden. Zum anderen soll das Vorhaben „Unternehmen in Verantwortungseigentum“ umfassend aus privatrechtsdogmatischer, rechtsgeschichtlicher, verfassungsrechtlicher und rechtsvergleichender Perspektive gewürdigt und im Verbund mit den Untersuchungen zu Unternehmensstiftungen und anderen Projekten des SFB auch hinsichtlich seiner Konsequenzen für die Entwicklung des Unternehmereigentums analysiert werden.